WEF-ELITE VON MORGEN: «DAS EINE PROZENT DES OBEREN PROZENTS»

Mit dem Programm der «Young Global Leaders» sucht das Weltwirtschaftsforum einflussreiche Entscheidungsträger der Zukunft. 20 Minuten hat drei von ihnen getroffen.

Der Gegenentwurf zum alten, weissen Mann an der Spitze: Mit dem Programm der «Young Global Leaders» – oder die YGLs –  ehrt das Weltwirtschaftsforum (WEF) seit 2004 jedes Jahr rund 100 aussergewöhnliche Persönlichkeiten unter 40 Jahren und vernetzt sie miteinander – unter anderem am jährlichen Treffen in Davos.

Von Angela Merkel und Emmanuel Macron bis hin zu Jacinda Ardern: Viele heutige Spitzenpolitiker und einflussreiche Persönlichkeiten sind YGL-Alumni.

Das Ziel sei es, so ist vom Forum selbst zu vernehmen, «eine Gemeinschaft mit der Vision, dem Mut und dem Einfluss zu schaffen, um positiven Wandel voranzutreiben». Man wolle eine neue Generation von Entscheidungsträgern fördern, die mit frischen Perspektiven und innovativen Ansätzen globale Herausforderungen angehen.

WEF 2025 in Davos: Mit Vielfalt Probleme lösen

Dafür werden einflussreiche Talente aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Gesellschaft zusammengebracht. Was sie gemeinsam haben: Sie alle haben in ihren Bereichen nicht nur herausragende Leistungen gezeigt, sondern engagieren sich gleichzeitig für das Gemeinwohl.

Mit der Unterstützung eines globalen Netzwerks sollen diese Leader von morgen ihre eigenen Projekte effektiv vorantreiben können und so innovative Lösungen für die drängendsten Probleme unserer Zeit entwickeln – von Klimawandel über soziale Ungleichheit bis hin zu digitaler Transformation. Ganz nach dezentralen WEF-Ansatz: Konstruktiver Optimismus – Wirtschaft und Philanthropie Hand in Hand.

Nur: Was heisst das konkret? 20 Minuten hat drei – ganz unterschiedliche – «Young Global Leaders» zum gemeinsamen Gespräch getroffen:

Angela Lungati, 35, Kenya

Die Tech-Unternehmerin Angela Oduor Lungati setzt sich mit ihrer Organisation Ushahidi für Open-Source-Technologie zugunsten marginalisierter Gemeinschaften ein. Als globale Fürsprecherin treibt sie Innovationen an der Schnittstelle von Technologie, Gerechtigkeit und sozialer Wirkung voran.

Angela, wie viele Male warst du schon am WEF?Ich bin zum dritten Mal hier.

Welche Qualität trägst du zum Anlass bei?

Empathie. Wenn man Leuten richtig zuhört, kann man deren Situation und was im Hintergrund passiert erst richtig verstehen – unter Umständen sogar ihre Abneigung gegen einen selbst.

Was ist dein persönliches Ziel für Davos 2025?

Ich möchte den Nonprofit-Sektor möglichst aktiv vertreten und sicherstellen, dass dessen Stimme lauter und auch gehört wird.

Das magst du an Davos besonders gerne.

Es ist so unglaublich schön hier in dieser Berglandschaft. Wir schauen ja sonst immer alle aufs Handy. Aber ich liebe die Natur generell und staune deshalb hier ständig in der Gegend herum.

Das findest du an Davos gar nicht toll?Ich komme aus einem sehr warmen Land. (lacht) Da ist es zum Teil schon extrem kalt hier.

Bolor Battsengel, 32, Mongolei

Bolor-Erdene Battsengel ist die ehemalige Vize-Ministerin für digitale Entwicklung der Mongolei und leitet die digitale Transformation des Landes mit dem Projekt «E-Mongolia». Sie fördert gezielt die naturwissenschaftliche und technologische Bildung von Mädchen in Schwellenländern.

Bolor, wie viele Male warst du schon am WEF?

Ich bin das erste Mal hier.

Welche Qualität trägst du zum Anlass bei?

Authentizität. Ich dachte einst, meine direkte Art würde mir an so einem Event eher im Wege stehen als nützen. Doch dem ist überhaupt nicht so.

Was ist dein persönliches Ziel für Davos 2025?

Qualitativ hochwertige Beziehungen knüpfen. Um das geht es für mich hier. Und zwar mit Leuten, die du bewunderst. Aber auch solche, die dir weniger gut gesinnt sind.

Das magst du am WEF besonders gerne.

Ich bin wirklich schlecht in Sachen Orientierung. (lacht) Zum Glück sind die Leute hier so nett und helfen mir, meine Orte zu finden. Von wegen Kälte: In der Mongolei sind die Temperaturen also bedeutend tiefer.

Das findest du am WEF gar nicht toll.

Die Verkehrssituation. Ich brauchte heute Morgen um 6.30 Uhr über eine Stunde von Klosters nach Davos.

Jesús Cepeda, 39, Mexico

Jesús «Chuy» Cepeda ist Mitbegründer von Lateinamerikas führendem dezentralen Identitätsprotokoll, das es Einzelpersonen und Organisationen ermöglichen soll, das Eigentum an digitalen Identitäten zurückzugewinnen. Der promovierte KI-Experte will so das digitale Vertrauen und die digitale Sicherheit fördern.

Jesús, wie viele Male warst du schon am WEF?

Es ist insgesamt mein zweites Mal in Davos.

Welche Qualität trägst du zum Anlass bei?Humor. (lacht) Nein, ehrlich, mit einem lockeren Umgang kann man hier gut das Eis brechen und die Atmosphäre für wertvolle Gespräche schaffen.

Was ist dein persönliches Ziel für Davos 2025?

Ich möchte hier neue Befürworter, Investoren und Anwendungsfälle für meine Technologie finden.

Das magst du am WEF besonders gerne.

Man hört immer wieder, wir seien hier das eine Prozent vom oberen Prozent. Das hat eine positive Komponente: Man halt wirklich Zugang zu Entscheidungsträgern und kann dann Inputs nach Hause mitnehmen, um dort Fortschritt voranzutreiben.

Das findest du am WEF gar nicht toll.

«Das eine Prozent vom oberen Prozent» hat auch eine Schattenseite: Speziell zu Hause höre ich immer wieder, man sei nun Teil der Elite. Dies sendet eine ausgrenzende Botschaft, die weit von der integrativen, vielfältigen Realität entfernt ist, die man am Jahrestreffen erlebt.

Alle Informationen zur 55. Ausgabe des WEF-Treffens in Davos findest du hier.

2025-01-24T09:48:31Z