HERR BRENDE, BLEIBT DAS WEF IN DAVOS, WENN SIE AN DER SPITZE SIND?

So fragmentiert war die Weltwirtschaft schon lange nicht mehr. 20 Minuten hat bei Präsident und CEO Børge Brende nachgefragt, inwiefern das WEF-Jahrestreffen Abhilfe schaffen kann – und ob die Schwab-Nachfolge bereits geregelt ist.

Kooperation, Kollaboration, Vernetzung: Die 55. Ausgabe des Weltwirtschaftsforums hat die schwere Aufgabe, die globale Wirtschaft wieder etwas näher zusammenzurücken. Gleichzeitig befindet sich die Organisation selbst vor einem historischen Führungswechsel.

Präsident und CEO Børge Brende (59), der starke Mann neben Gründer Klaus Schwab (86), gewährt 20 Minuten kurz vor dem Auftakt in Davos einen Blick hinter die Kulissen.

Das WEF steht für globale Kooperation. Diese ist aber durch verschiedene globale Entwicklungen schwieriger als auch schon. Inwiefern wird dieser Problematik im Programm Rechnung getragen?Globale Zusammenarbeit war schon immer ein zentraler Bestandteil der Mission des WEFs, und das Programm für das Jahrestreffen 2025 spiegelt die Dringlichkeit wider, sich mit einer fragmentierenden globalen Landschaft auseinanderzusetzen. Das diesjährige Thema «Zusammenarbeit für das Zeitalter der Intelligenz» betont die Bedeutung der Zusammenarbeit angesichts geopolitischer Spannungen, Handelsunterbrechungen und der Klimakrise.

Was heisst das konkret?

Auf der Tagesordnung stehen Initiativen, die darauf abzielen, Wachstum neu zu definieren, technologische Innovationen verantwortungsvoll voranzutreiben und Vertrauen in allen Sektoren wiederherzustellen

Die Aussichten in Bezug auf Wachstum und Prosperität sind derzeit getrübt – zumindest im Westen. Wird das diesjährige Jahrestreffen hier beruhigen können?

Das jüngste Update des Global Economic Outlook des Internationalen Währungsfonds, das kurz vor dem Jahrestreffen veröffentlicht wurde, prognostiziert für dieses und das nächste Jahr ein Wachstum von 3,3 Prozent – ein historischer Tiefstand. Durch die Zusammenführung von Interessengruppen zur Entwicklung innovativer Lösungen ist das Jahrestreffen eine Plattform, um Bedenken hinsichtlich der künftigen Wachstumsentwicklung auszuräumen.

Das ist ein sehr breiter Ansatz. Worauf fokussiert man sich dabei?

Ein Schwerpunkt wird die Frage sein, wie Volkswirtschaften das Potenzial von Zukunftstechnologien wie KI ausschöpfen können. In den diesjährigen Diskussionen werden auch Strategien zur Bewältigung wirtschaftlicher Herausforderungen erörtert, darunter Massnahmen für nachhaltiges Wachstum, Innovationen in der Personalentwicklung und die Beseitigung von Engpässen im Welthandel.

Letztes Jahr schrieben diverse Medien, das WEF sei mehr ein World Political Forum geworden. Ist das in Ihrem Sinne, oder wie wollen Sie gegensteuern?

Die Rolle des Forums besteht darin, eine neutrale Plattform für die öffentlich-private Zusammenarbeit zu bieten. In diesem Jahr werden wir voraussichtlich mehr als 1000 hochrangige CEOs und Vorsitzende der grössten Unternehmen der Welt sowie 350 Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens aus über 100 Ländern begrüssen, darunter 60 Staats- und Regierungschefs und über 210 Kabinettsminister. Die Anwesenheit dieser Entscheidungsträger sowie von Führungskräften aus Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Wissenschaft ist von entscheidender Bedeutung, um komplexe wirtschaftliche, ökologische und technologische Herausforderungen anzugehen, die kooperative Ansätze erfordern. Das Programm für 2025 wird sich darauf konzentrieren, Wege zur Zusammenarbeit bei diesen Prioritäten zu finden.

Donald Trump wird nur drei Tage nach seiner Vereidigung per Video-Liveschaltung zumindest virtuell in Davos auftreten. Die USA werden ohnehin ziemlich präsent sein. Was hat Trump vom WEF?

Das Forum arbeitet mit Führungspersönlichkeiten aus dem gesamten politischen Spektrum zusammen, um den Dialog über kritische globale Herausforderungen zu fördern. Die USA sind die grösste Volkswirtschaft der Welt und haben einen immensen globalen Einfluss. Führende Vertreter der USA haben schon immer massgeblich an den Treffen des Forums teilgenommen. Wir freuen uns auch, zwei einflussreiche Gouverneure begrüssen zu dürfen, den Demokraten Andy Beshear aus Kentucky und die Republikanerin Sarah Huckabee Sanders aus Arkansas.

Nur drei Tage vor dem WEF stand für Gründer Klaus Schwab der nächste Gerichtstermin im Rahmen der Diskriminierungsvorwürfe einer ehemaligen Mitarbeiterin an. Wirft das einen Schatten auf den Event?

Die Vorwürfe gegen Klaus Schwab sind völlig ungerechtfertigt. Der von Ihnen erwähnte Termin war eine Frist für die Einreichung eines Antwortschriftsatzes zur weiteren Unterstützung seines anhängigen Antrags auf Abweisung aller gegen Professor Schwab erhobenen Ansprüche. Diese Frist wurde auf den 17. Februar verschoben.

Apropos Klaus Schwab: Wie ist der Stand beim Generationenwechsel innerhalb der WEF-Organisation, bzw. wie weit sind Sie schon intern, Klaus Schwab als WEF-Leader abzulösen?

Professor Schwab und ich werden weiterhin als Team zusammenarbeiten. Es stimmt, dass wir im Herbst die Verantwortlichkeiten geklärt haben. Zum besseren Verständnis: Wir sind jetzt eher wie ein Schweizer Unternehmen organisiert, zum Beispiel wie die UBS. Wir haben einen Präsidenten und CEO mit voller Exekutivverantwortung und einen nicht geschäftsführenden Stiftungsrat, dessen Vorsitz Klaus Schwab innehat.

Bleibt das Jahrestreffen in Davos, wenn Sie als Norweger dereinst an der Spitze stehen werden?

Das Weltwirtschaftsforum hat seinen Hauptsitz in Cologny, Schweiz, und wurde 2015 von der Schweizer Bundesregierung als internationale Organisation im Rahmen des Schweizer Gaststaatgesetzes anerkannt. Davos ist ein idealer Ort für das Jahrestreffen. Solange die Infrastruktur und die Unterkunftsbedingungen in Davos stimmen und wir willkommen sind, sind wir sehr daran interessiert, wiederzukommen.

Alle Informationen zum WEF 2025 in Davos findest du hier.

2025-01-21T07:17:10Z